Morgen ist St. Martin. Überall werden dann Kinder mit ihren Martinslaternen zu den Laternenumzügen gehen- und überall werden die Plastiklaternen blinken.
Letztes Jahr habe ich beim Umzug voller Entsetzen die Massen an Laternen, gebastelt aus PET- Flaschen betrachtet. Und so gut wie alle Lichter blinkten an bunten Plastikstäben, die Lichter selbst waren daran baumelnde Birnchen oder kleine Plastik- Teelichter.
All dieser Müll kann doch nicht in Martins Sinne gewesen sein, der sich um Arme und Verletzte kümmerte und sich sicherlich auch Gedanken um seine Umwelt gemacht hätte.
Nachdem ich schon geplant hatte, unsere eigenen Laternen zu basteln, kam mir die Erzieherin im Kindergarten zuvor und plante Selbstgebasteltes- aus Papier!
Und auch ihr vorgeschlagenes Innenleben und der Stock waren zu meiner Überraschung plastikfrei! So können wir dieses Jahr also mit offizieller Erlaubnis mit Kerze laufen und müssen nicht gegen die Ansage im Kindergarten argumentieren!
Ja, es gibt sie noch, die Holzstecken, an denen an Draht gehängte Laternen baumeln. Die Kerzen können in der Laterne mit einer metallenen Vorrichtung befestigt werden oder direkt mit aufgetropftem heißem Wachs. Und im Normalfall kann man sowohl Stab als auch Kerzenbefestigung einfach im nächsten Jahr für eine neue Laterne verwenden, während die meisten Plastikvarianten bereits im Laufe des Martinszuges ihren Geist aufgeben.

Und ja, wir werden morgen dieses gefährliche Wagnis eingehen und mit einer Kerze in der Laterne zum Umzug gehen. Entgegen aller heute gängiger Vorsichtsmaßnahmen bin ich mir sicher, weder die Zwergin noch ein anderes Kind werden dadurch zu Schaden kommen!
In meiner Kindheit bin ich jedes Jahr mit einer mit Kerze bestückten Laterne stolz und sehr vorsichtig zum Umzug gegangen- wie viele andere Kinder auch. Wir wären niemals auf die Idee gekommen, unsere Laternen wie Lassos um uns herumzuschwingen oder sie auf dem Boden zu schleifen… denn dann hätten sie zu brennen begonnen! Wir wussten, wenn wir vorsichtig gehen und die Laterne ruhig halten, dann kann kaum etwas passieren.
Trotzdem brannte tatsächlich mal eine Laterne in meiner direkten Nähe… das Kind ließ sie fallen, der Vater trat sie aus. Klar, schade um die Laterne, aber außer brennendem Papier ist nichts passiert, und ich vermute, auch das Kind hat den kurzen Schreck und die Trauer um die zerstörte Laterne bald überwunden.
Warum also sollten unsere Kinder das morgen nicht auch können? Vorsichtig die Laterne tragen, ohne sie hin und her zu schwenken, während man langsam in der Gruppe gemeinsam Martinslieder singend spazieren geht?

„Hilf mir, es selbst zu tun“ Dieses Zitat von Maria Montessori passt hier wiedereinmal so wunderbar: wie sonst sollen unsere Kinder Umsicht und Achtsamkeit lernen, wenn wir ihnen nicht zutrauen, dass sie in einer kontrollierbaren „Gefahrensituation“ richtig handeln können?

Wie sollen Kinder lernen, dass eine Laterne brennen kann, wenn man sie um den Kopf schleudert, wenn innen nur ein Plastiklicht steckt?
Die Zwerge werden morgen also plastikfrei zum Umzug gehen, und ich traue ihnen fest zu, dass sie mit der Verantwortung, eine brennende Kerze zu tragen, umgehen können! Und sollte eine Laterne Feuer fangen, dann werden wir sie austreten, kurz darüber traurig sein und im nächsten Jahr eine neue Laterne basteln.

